Tief in seinem Inneren ist der Rhodesian Ridgeback ein sensibler Gefährte, der auf harte ungerechte Behandlung mit Verweigerung reagiert. Doch für einen souveränen Rudelführer wird er jederzeit durch Feuer gehen. Dieser Hund benötigt eine liebevolle, aber konsequente Erziehung und einen Anführer, der nicht nur kontrolliert und dominiert, sondern ein Begleiter ist im Sinnes eines Fremdenführers! Wir müssen den Ridgeback durch unsere reglementierte Welt führen, an die er als ebenso freiheitsliebender wie lauffreudiger Hund nur schlecht angepasst ist. Zudem stellt sich dieser sehr selbstständig denkende Hund bei unsinnigen Befehlen oft stur. Kadavergehorsam liegt ihm fern, hingegen liebt er artgerechte sportliche Herausforderungen wie Fährtenarbeit, Coursing oder Mantrailing.
Das Rassestandard des Rhodesian Ridgeback ist – wie jeder andere auch – die Beschreibung eines Idealbildes. Er beschreibt nicht, was real ist, sondern ist Ausdruck menschlichen Wunschdenkens. Der Ridge gilt als unverwechselbares Rassekennzeichen. Allerdings ist er nicht ausschließlich auf den Rhodesian Ridgeback beschränkt. In Asien sind ebenfalls Hunde mit einem Ridge zu finden; europäische Quellen beschreiben diese Hunde der Insel Phu Quoc im Golf von Thailand erstmals zum Ende des 19. Jahrhunderts hin.
An bestimmten Rassen interessierte Menschen klammern sich geradezu sklavisch an den Standard und die daraus abgeleitete Rassebeschreibung, um herauszufinden, ob dieser Hund für sie geeignet ist oder nicht. Vergessen wird dabei vollkommen, dass nicht nur das Äußere der Hunde innerhalb einer Rasse variiert, sondern auch die Reaktionsnorm des Verhaltens. Es herrscht die Meinung vor, dass man sich mehr um Körperbau und Farbe Gedanken machen sollte als um Verhalten. Schließlich wird der Hund mit seiner Farbe geboren, sein Verhalten ist noch ein „weißes Blatt“, welches vermeintlich nach Belieben beschrieben werden kann. Und so erleben wir erschreckt, dass sich Interessenten für die Rasse alleine aufgrund des Äußeren entscheiden und glauben, durch eine „richtige“ Erziehung den passenden Hund formen zu können. Viele Interessenten dieser Rasse lesen über die Wesenseigenschaften und finden, dass dieser Hund zu ihnen passt: Eine hohe Reizschwelle, zurückhaltend, würdevoll, ohne Scheu und Aggression. Dieses aber ist eine Beschreibung des Ridgebacks, wie er sein sollte – und nicht, wie er ist. Das ist ein großer Unterschied...
Sensibel, erhaben, hohe Reizschwelle, wildtierartige Instinkte, mutig, schnell, intelligent, ein sechster Sinn für Gefahr, und eine lange Entwicklungszeit. Aber: Sensibilität oder Sensitivität und „hohe Reizschwelle“ schließen einander aus. Sensibilität bedeutet, dass der Hund auf geringe Veränderungen seines Umfeldes reagiert. Gerade bei plötzlich auftretenden Reizen zeigen viele Ridgebacks, was es mit ihrer Ursprünglichkeit auf sich hat: Niedrige Reizschwellen und blitzschnelle Reaktionen, für die die Schrecksekunde des Menschen eindeutig zu lang ist. Viele Ridgebacks haben eine ausgesprochen große Wahrnehmungsdistanz. Das bedeutet, sie reagieren auf Reize wie Bewegung, Geruch und Geräusch bereits in großer Distanz. Haben Hund und Mensch den Überblick, dann können die meisten Hunde ihre Reaktion auf die Wahrnehmung kontrollieren, die langsame Annäherung hilft ihnen dabei. Erscheint aber in unübersichtlichem Gelände ein Reiz inmitten der Wahrnehmungsdistanz, so zeigen manche Ridgebacks, wie impulsiv und Blitzschnell sie sein können. Mut ist nichts anderes als die Bereitschaft, Konflikte auszutragen. Wobei der mutige Hund erst einmal seine eigenen Konflikte austrägt. Interessanterweise hoffen viele Hundebesitzer, dass ihr Hund erst dann mutig wird, wenn es aus Menschen-Sicht angebracht ist. Diese Sicht aber kann kein Hund teilen, auch kein Ridgeback...
Zum normalen Verhaltensrepertoire des Hundes gehört aber auch die Ablehnung familienfremder Hunde. Je nach Zuchtziel und züchterischer Selektion kann diese Ablehnung stärker oder schwächer ausgeprägt sein. Wer sich für einen Rhodesian Ridgeback entscheiden möchte, sollte sich unbedingt darauf einstellen, dass die Führung des Hundes in Anwesenheit fremder, gleichgeschlechtlicher Hunde viele Jahre eine Herausforderung bleiben wird. Das lässt gewisse Rückschlüsse darauf zu, dass bei der Selektion der Zuchttiere noch einiges zu verbessern ist!
Immer wieder wird auf die Vergangenheit der Rasse hingewiesen und auf den enormen Selektionsdruck durch Klima, Krankheiten, wehrhaftes Wild und wenig zimperliche Menschen. Diese Hunde aber, mit denen wir heute leben, unterliegen einer anderen Selektion, die viel bedeutsamer für uns und die Hunde ist: Ausstellungen und Zuchtzulassungsprüfungen, das sind die „Gefahren“, die darüber entscheiden, welcher Hund sich fortpflanzen darf und welcher nicht…
Innerhalb jeder Hunderasse findet man ein Kontinuum, welches von sehr scheuen bis hin zu sehr aufgeschlossenen Tieren reicht. Auch bei den Ridgebacks finden wir dieses Kontinuum, so dass man nicht von „dem“ Rhodesian Ridgeback sprechen kann. Und deshalb sollte man sich viele verschiedene Hunde unter verschiedenen Bedingungen anschauen, um eine Entscheidung treffen zu können. Die aufgeschlossenen verkraften schlechte Erfahrungen gut, erholen sich nach solchen schnell und sind nicht besonders stressanfällig. Das sind die Hunde, die einen für diese Rasse begeistern können. Die scheuen Vertreter haben eine Elefantengedächtnis! Sie reagieren sogar empfindlich auf Veränderungen innerhalb des Hauses. Negative Ereignisse werden sehr schnell mit dem Umfeld verknüpft, und der Hund braucht lange, um sich davon zu erholen.
Weder ein hoher Welpenpreis noch schön ausformulierte Rasseportraits hebeln die Grundlagen von Verhalten aus. Wer sich für einen Ridgeback entscheidet, weil er der Kombination aus athletischem Muskelpaket und ansprechender Rassebeschreibung nicht widerstehen kann, sollte sich auf „Enttäuschung“ einstellen. Der zukünftige Begleiter kann sich trotz aller Bemühungen zu einem Hund entwickeln, der mit überaus deutlicher Körpersprache einen großen Bogen um Gegenstände macht, die gestern noch nicht an dieser Stelle lagen. Auf die sprichwörtliche Erhabenheit und nachgesagte „Arroganz“ muss man bei diesen spätreifen Hunden mindestens drei Jahre warten können, und schon so mancher Ridgebackbesitzer hat das ganze Hundeleben vergeblich gewartet. Spätreif, das klingt gut. Spätreif das bedeutet, das der Hund sich über einen langen Zeitraum entwickelt. Spätreife Hunde überraschen ihre Besitzer bis zum 3. Lebensjahr mit neuen Reaktionen auf altbekannte Situationen. Wegen dieser Spätreife bedarf auch ein bereits ausgewachsener Ridgeback der sorgfältigen Führung. Damit ist nicht Führung im Sinne eines Leitwolfes gemeint, sondern eher ein Führer im Sinne eines Fremdenführers. Wir geleiten unseren Hund durch eine Welt, an die er nur schlecht angepasst ist. Diese schlechte Passung hat Fehlentscheidungen des Hundes zur Folge, was dann als „unerwünschtes Verhalten“ bezeichnet wird. In unserer Gesellschaft gibt es nicht besonders viel Spielraum für unpassende Entscheidungen eines Hundes! Ein Jogger, der von einem Ridgeback ausgebremst und gestellt wird, hat allen Grund zur Empörung. Unpassendes Verhalten von Anfang an vermeiden ist die sicherste Strategie für den menschlichen Begleiter des Ridgebacks. Spätreif, vielleicht klingt das doch nicht so gut, denn es bedeutet eine lange Zeit der Aufmerksamkeit und der Geduld...
Mit einem Rhodesian Ridgeback zu leben bedeutet, mindestens die ersten drei Lebensjahre des Hundes sein Verhalten in Bezug auf fremde Menschen, fremde Hunde und Wild zu beobachten und ruhig in passende Bahnen zu lenken. Viel Arbeit an der langen Leine ist nötig... Wer Freunde daran hat, über einen langen Zeitraum hinweg Entwicklungshilfe zu leisten, einen Hund wohlwollend und gelassen zu führen, anstatt ihn zu unterdrücken, der wird auch die Eigenschaften eines Ridgebacks als Bereicherung für sein Leben empfinden. Wer allerdings sein Leben nur durch eine pflegeleichte, elegante Erscheinung bereichern möchte, die ansonsten aber nicht unangenehm auffallen sollte, wer sich durch seinen Alltag bereits überfordert fühlt, der sollte bitte Abstand von einem Rhodesian Ridgeback nehmen. Und ganz besonders sollten diejenigen verzichten, die ausgesprochen harmoniebedürftig sind und es nicht ertragen können, dass ihr Hund nicht jeden anderen Hund mag. Enttäuschungen sind sonst für beide Seiten vorprogrammiert. Hundehalter im Allgemeinen und Menschen für einen Rhodesian Ridgeback im Besonderen sollten einfühlsam sein, weil diese Hunde nach wie vor Fremde in der modernen Menschenwelt sind. Sie sollten geduldig sein, weil Lernen viel Zeit braucht. Und sie sollten gerecht sein, weil jeder Hund das Produkt seiner Genetik, Erfahrung und Umwelt ist – nichts davon hat er sich ausgesucht!